Juni 2020: Äthiopien / Lalibela: Ringförmige Sonnenfinsternis

Ringförmige Sonnenfinsternis in Lalibela soll mehr sein als ein astronomischen Geschehen

Ein Bericht von Abebe Zewdu

Eine Sonnenfinsternis ereignete sich in diesem Jahr am 21. Juni 2020 in Lalibela. Der Mond bedeckte das Sonnenzentrum und ließ die sichtbaren Außenkanten der Sonne um den Mond herum ringförmig werden.

Viele Menschen waren schon am frühen Morgen unterwegs, um die ringförmige Sonnenfinsternis in Lalibela zu beobachten. Es ist ein ganz besonderer Tag  für die Menschen in Lalibela, die sich zum Hügel Mekalt begaben. Mekalt ist der historische Ort im Westen etwas außerhalb der Stadt. König Lalibela habe hier auf diesem Berg 23 Jahre lang in einem Zelt die Nächte verbracht während er tagsüber die elf Felsenkirchen gebaut hat. Regierungsbeamte, Wissenschaftler, Astronomen, Pilger und viele  Einheimische fanden sich in dieser Nacht ein auf dem Mekalt. Wissenschaftler verbrachten  die Nacht in ihren Zelten. Die Sonnenfinsternis wurde über  die nationale Fernsehstation vom Mekalt aus übertragen. So konnten Millionen Äthiopier die Live-Aufzeichnung miterleben.

 Mit vielen anderen Menschen ging ich selber zur Erhöhung  Debre Tabor, ein Ort, der üblicherweise nur für Besucher der Felsenkirche St Gabriel zugänglich ist.   Sehr viele Leute kamen dort zusammen: ein einzigartiger, fast unglaublicher Anlass in der Geschichte unserer Stadt Lalibela.  Ich machte Bilder und Videos.

Zunächst wird die Silhouette des Mondes vor der Sonnenscheibe sichtbar. Die Sonne sieht aus, als wäre ihr ein Teil weggenommen worden. Die Strahlen waren sehr intensiv. Mit Brillen musste man sich dagegen schützen. Dann erschien der Feuerring um die Sonne und es sah wirklich aus wie ein Feuer. Während einiger Minuten sah ich Bialys Perlen, eine Art Lichtperlen, am Rand der Mondsilhouette. Dann bedeckt der ganze Mond das Zentrum der Sonnenscheibe. Die Betrachter schienen wie schockiert, spürten Angst und Unsicherheit. In Lalibela, ja in der ganzen Umgebung wurde es völlig dunkel. Schliesslich bewegte sich der Mond wieder weg von der Sonnenscheibe. Wiederum liessen sich Bialys Perlen erkennen an der vorderen Kante des Mondes. Sehr langsam zieht der Mond weiter und beendet das Bedecken  der Sonne. Dieses Naturereignis war absolut einzigartig. Nach meiner Einschätzung dauerte das eigentliche Geschehen etwa 2 Stunden und 45 Minuten. Diese ganze Zeitspanne war für viele Beobachter von Angst und Furcht begleitet, weil niemand letztlich wusste warum, wie und was in Wirklichkeit geschah.

Der ganze Mond ist im Zentrum der Sonne wie eingeschlossen und «endet» in einem Ring. Genau so war diese ringförmige Sonnenfinsternis in Lalibela vollkommen sichtbar. Wir Beobachter erlebten diesen  Feuerring, der für diese Art der Sonnenfinsternis charakteristisch ist. Die Sonnenfinsternis wandert vom Ashetongebirge  über das Jordantal zur nahegelegen kreuzförmigen Felsenkirche St. Giyorgis!

Dies war für uns alle ein seltenes und spektakuläres Geschehen, das nur entlang eines relativ schmalen Streifens auf der Erdoberfläche erlebt werden kann. In meinem Leben ist es unvergessliche Erfahrung.  Die Sonnenfinsternis war zwar in anderen Gebieten in Äthiopien auch sichtbar, aber der Mond bewegte sich so zentral vor der Sonne einzig in Lalibela. So war der Feuerring wunderbar sichtbar – ein erstaunliches und unglaubliches Naturereignis.

Diese Sonnenfinsternis hat Angst und Neugier geweckt. Seit eh und je werden solche aussergewöhnlichen Ereignisse mit vielen Mythen in Verbindung gebracht. So ist es auch heute. Manche Menschen sehen in der Sonnenfinsternis ein böses Omen, das Zerstörung, Katastrophen und das Ende der Welt mit sich bringt. Andere sind der Meinung, dass sie für unseren Planeten etwas ganz Besonderes bringen werde. Viele blieben bis zum Nachmittag zu Hause. Andere besuchten die Kirchen und beteten um Segen oder gar Heilung.

Menschen von Lalibela gaben ihre Meinungen weiter und diskutierten miteinander. Da kamen etwa folgende Aussagen zur Sprache:

die Sonnenfinsternis wirke sich aus auf das menschliche Verhalten,  verändere die Gesundheit einzelner Menschen, habe Einfluss auf die Umwelt,  werde jahresbedingte Veränderungen zeigen, beende die Pandemie, die der Virus ausgelöst habe, neue Zerstörungen werden kommen….

Doch – Gott sei Dank – war dieses Ereignis ein natürliches Geschehen. Sein Auftreten wurde bereits in sehr alten äthiopischen Pergamentdokumenten beschrieben. In diesem Jahr waren wiederum Forscher, Wissenschaftler aus der äthiopisch-orthodoxen Kirche führend. Auch dieses Ereignis geht ein in die Schriften der Kirchen und steht in engem Zusammenhang mit ihren Glaubensüberzeugungen.  Ich habe festgestellt, dass sich die tiefgläubigen Christen in Lalibela nach diesem  Ereignis besser gefühlt und Gott, den sie in ihren alten Felsenkirchen priesen, näher gefühlt haben! Orthodoxe Kirchenführer haben aufgerufen zum Besuch des «Neuen Jerusalem», Lalibela, und offen zu werden für manche nicht entdeckte, noch verborgene Zeichen und Wunder.

Abebe Zewdu

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