Flucht aus dem belagerten Lalibela: Silieshi berichtet für uns darüber
Wir sind zehn Freunde und haben unsere Flucht am 5. August begonnen. Es ist Mittagszeit. Wir sind überrascht, entrüstet, frustriert, traurig. Anfangs gehen wir sehr schnell, rennen, ermüden. Nachdem wir weit genug entfernt sind von Lalibela, beschliessen wir zu marschieren. Die erste Nacht verbringen wir bei Bauern, bitten um eine abendliche Verpflegung und eine Schlafgelegenheit. Die Gastgeber erkannten unsere Notsituation und halfen uns mit Essen und Unterkunft.
Am zweiten Tag brachen wir um 6 Uhr früh auf, erreichten nach einem ganztägigen Fussmarsch den Ort Gelesnot. Wiederum nahmen uns die Menschen freundlich auf. Die positiven Erfahrungen gaben uns Kraft für den weiteren Weg.
Auch am dritten Tag starteten wir um 6 Uhr und erreichten abends schliesslich Serko. Am 4. Tag kamen wir in Abo an – nach beschwerlichen Wegen zu Fuss. Nach unserem Aufbruch am folgenden Tag erreichte uns nach einem halbstündigen Marsch die Nachricht, dass auch Checho, unser nächstes Tagesziel, bereits vom Krieg erfasst ist. Deshalb beschlossen wir auf anderen Wegen, die noch weit entfernt sind vom Kriegsgeschehen, unsere Flucht fortzusetzen. Wir trafen auf einen Fluss, der so viel Wasser führte, dass wir ihn nicht überqueren konnten. Dem Verzweifeln nahe, weinten wir alle. Dann kam jemand, der uns beim Überqueren half. Um fünf Uhr nachmittags erreichten wir die Stadt Gaint. Dort sorgte die Polizei für unsere Sicherheit, wies uns eine Unterkunft an und gab uns Essen. Mit einem Minibus fuhren wir am 6. Tag nach Bahdar, übernachteten in dieser grossen Stadt und erreichten am darauffolgenden Tag endlich unser Ziel, Addis Abeba.
Wir sind sehr freundlichen und verständnisvollen Menschen begegnet – in Stadt und Land, legten gut 350 Kilometer zu Fuss zurück. Erschöpft und sehr müde verbinden sich unsere Gedanken mit den Kirchen in Lalibela, unseren Kindern und Familien, den vielen Menschen, die wir zurücklassen mussten in unserer geliebten Stadt …Mögen sie und die ganze Welt von Gott gesegnet sein.
Sileshi Dargie