Oktober 2020: Äthiopien: Erwachende Natur

Erwachende Natur: Aufbruch in Äthiopien – von Enkutatash zu Meskel

 Äthiopien feiert im September die Zeit der erwachenden Natur. Die Regenzeit ist vorüber, begleitet  von hartem Fasten. Die Rückkehr von Sonne und Licht wird mit den Festen Enkutatash (Neujahr) und Meskel («Wiederauffindung des Heiligen Kreuzes») mannigfaltig gefeiert. Grün beherrscht die bisher weitgehend  ausgedörrten Landschaften. Dazu strahlt  das Gelb  unzähliger kleiner Wiesenblumen  die Landschaften. Diese Meskel-Blumen, die nur in Äthiopien wachsen sollen, sind Symbole des Aufbruchs.

Über die Zusammenhänge von Neujahr am 11. September (Enkutatash) informieren  ausführlich Abebe Zewdu und Mesay Mequanent. Dan Amolo hat ihre Berichte zusammengefasst. Aus einem höchst interessanten Youtube-Video über Meskel können Sinn und historische Zusammenhänge dieses überaus bedeutsamen Festes erfahren werden.  Das Fest der Kreuzauffindung am 26. September wird in ganz Äthiopien begangen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Sprache oder ethnischer Zugehörigkeit. Die Teilnehmer glauben, dass sie bei dieser Zeremonie durch das Kreuz Segen empfangen. «Kreuzauffindung» wurde 2013 in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen (Unesco): https://www.unesco.org/en/RL/commemoration-feast-of-the-finding-of-the-true-holy-cross-of-christ-00858

Äthiopisches Neujahr

Äthiopier feiert das neue Jahr Enkutatash am 11. September und nicht am 1. Januar. Die historischen Wurzeln des äthiopischen  Kalenders sind dieselben Berechnungen, die hinter dem heutigen Gregorianischen Kalender und seinem Vorgänger, dem Julianischen Kalender, stehen.

Es wird angenommen, dass der September der Geburtstag der Welt ist. Die Welt wird im September geboren.

Die Regenzeit in Äthiopien dauert von Juni bis Ende August. Am Ende der Regenzeit geht die helle Sonne auf. Alle äthiopischen Landschaften, die mit grünen Bäumen, Gras und Blumen bedeckt sind, blühen und der Duft der Blume ist sehr intensiv. Vögel und andere Insekten kommen auch heraus! Schmetterlinge fliegen umher, die Bienen schwärmen, um Blumen in unendlich grosser Zahl zu bestäuben.

Für die Menschen ist ein neues Jahr im September ein Aufbruch, die  besondere Zeit, wo jegliches Fehlverhalten oder jede Sucht beendet werden sollte, eine Zeit für die Heirat oder für eine Ausbildung und so weiter. Der September gilt in Äthiopien als ein ganz besonders guter, hoffnungsvoller Monat.

Die kurze Zeit vor September, die als Pagume bezeichnet wird, ist der 13. Monat. Es ist ein kurzer Monat. Es regnet in besonders reichem Mass. Das in dieser Zeit gesammelte Regenwasser, gilt als heilendes Weihwasser.

Die Menschen stellen sich in den strömenden Regen, um Segen zu erhalten, andere gehen jeden Morgen bis zum Ende der Pagume-Zeit zum Schwimmen in fliessende Gewässer. Das Flusswasser am frühen Morgen ist ein Segen. Dieses Ritual wird durchgeführt, um den Leib am Ende des Jahres von negativen Taten zu reinigen, um für den Segen des neuen Jahres vorbereitet zu sein. Es ist Ausdruck des Wunsches und der Sehnsucht nach einem besseren neuen Jahr.

Spirituell ist Pagume  eine Zeit der Beichte und Busse in der orthodoxen christlichen Kirche. Die Menschen verbringen die Tage mit Gebet und Hoffnung, dass das neue Jahr Gutes bringen wird. Die Regenfälle während der Pagume-Zeit gelten als ein Zeichen des Segens für die keimenden Samen im neuen Jahr.

Der einzigartige besondere Kalender unseres Landes sieht vor, dass der September, in der alten liturgischen Sprache Äthiopiens Meskerem genannt wird, die Bezeichnung für den ersten Monat des Jahres.

Enkutatash bedeutet eigentlich das „Geschenk der Juwelen“. Der Legende nach schenkte König Salomo von Jerusalem der Königin von Saba während ihres berühmten Besuchs in Jerusalem vor etwa 3000 Jahren Juwelen. Ihre Rückkehr nach Äthiopien nach Erhalt des Geschenks fiel mit der Neujahrsfeier im September zusammen. So entstand der Name Enkutatash.

Die Äthiopier glauben, dass der Monat September verschiedene Zeichen hat, die erklären sollen, warum er als Beginn eines neuen Jahres gefeiert werden sollte. In diesem Monat blühen Blumen, es sind sonnige Tage und das Wetter ist sehr angenehm. Es ist eine Zeit, in der die Menschen die regnerischen, nebligen und dunklen Monate der kalten Jahreszeit hinter sich lassen und sich auf helle und wärmere Tage einstellen.

Die Feiern sind gekennzeichnet durch Familientreffen. Feuer werden entzündet, zum Vorabend des neuen Jahres gehören Tanz und Spiel.

Kinder und Jugendliche setzen ihre Kreativität ein, um in wunderschönen Bildern, den Beginn eines strahlenden neuen Tages anzukündigen. Sie gehen von Haus zu Haus und verteilen ihre kleinen Kunstwerke und Blumensträusse am Morgen an ihre Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde. Die Mädchen singen und tanzen in neuen bunten Kleidern auf der Straße und nehmen Geschenke von den Nachbarn und Passanten entgegen.

Zum Feiern gehört auch das reichhaltige Essen. Tiere werden geschlachtet und traditionelle Köstlichkeiten serviert. Das Nationalgericht Doro Wot (Hühnereintopf), dessen Zubereitung mindestens einen halben Tag dauert, steht wenn immer möglich auf jeder Menükarte und wird zusammen mit Injeera und lokalen alkoholischen Getränken wie Tej (Honigwein) und Tella  (Bier) serviert. Menschen essen zusammen, und es ist Sitte, dass sie  sich gegenseitig einen Bissen in den Mund stopfen, um so ihre Zuneigung und Liebe füreinander zu zeigen.

Es gibt wohl ganz verschiedene Wege  dieser Familientreffen, doch alle wollen deutlich auf  die Verbundenheit untereinander in Feier und Fest hinweisen.

 

 

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