Beatrice Gill prägt die Geschichte von PBF in Lalibela seit ihrem Anfang bis heute. Dies zeigt ihr Bericht aus dem Frühjahr 2010
Die Bernerin Beatrice Gill hat wie kaum eine andere Person aus der Schweiz den Aufbau von PBF in Äthiopien mitgeprägt. Vor zwei Tagen wurde sie zum achten Mal Grossmutter. Dazu gratulieren wir ihr von Herzen.
Vor zehn Jahren schrieb Beatrice auf der (damaligen) Webseite über ihre Arbeit in Lalibela den nachfolgenden Bericht. Für die über 25jährige Geschichte von PBF in diesem Jahr 2020 ist das herausragende und bis heute nachhaltige Engagement von Beatrice beispiellos. Dank einiger Kenntnisse der äthiopischen Sprache, Amharisch, hat sie sich in Äthiopien einen lebendigen Freundeskreis geschaffen. Darüber hinaus hat sie die Arbeit von PBF in Westuganda mit ihrer Kenntnis über afrikanische Heilpflanzen, vor allem Artemisia, bis heute mitbegleitet. Danke, Beatrice!
Dieses Jahr konnte ich nur für eine kurze Zeit nach Äthiopien gehen. Ich habe in dieser Zeit Lalibela besucht und mich informiert, wie sich die Projekte der Stiftung, bei denen ich beteiligt war, entwickelt haben.
In Lalibela selbst hat sich grundlegend etwas verändert. Die Wasserleitungen sind nun fertig gestellt, somit haben die meisten Menschen dort nun täglich Wasser. Dies beeinflusst unser Artemisia-Projekt (siehe Mai 2008) in sehr positiver Weise.
Mehrere Leute, hauptsächlich am Projekt Beteiligte, pflanzen nun selber Artemisia Annua in ihrem eigenen kleinen Hausgarten an. Beraten und angeleitet werden sie von Abebe, dem Apotheker. Er trägt die Hauptverantwortung für dieses Projekt.
Abebe selber wechselte in ein anderes Haus mit grossem Garten, wo seine kleine Familie Unterkunft findet und wo auch die Apotheke – an zentraler Lage – untergebracht ist. Zum ersten Mal hat Abebe genügend Platz, Artemisia Annua und andere Heilpflanzen selber anzubauen. Zwischen seinen Pflanzen wachsen noch andere Heilkräuter und auch Tomaten.
Ich freue mich, dass dieses Projekt von der Stiftung und meiner Arbeit unabhängig geworden ist!
Wie überall gibt es positive Entwicklungen, wie auch Rückschläge. Möge trotzdem Begonnenes zu einem guten Verlauf führen.
Karate wird leider nicht mehr angeboten, da der Karatelehrer Lalibela verlassen hat. Doch Mesfin, der das organisiert hat, gibt nicht auf. Er ist überzeugt, früher oder später, wieder Kampfkunst nach Lalibela zu bringen. In der Zwischenzeit hat er genug mit dem Kinderzirkus zu tun, der gewachsen ist. Etwa 50 neue Kinder nehmen teil, einige beim traditionellen Tanz, andere bei der Akrobatik.
Einige alte Frauen sind gestorben, andere durften wir neu aufnehmen. Ich habe bemerkt, dass die Frauen, die schon länger unterstützt werden, gesundheitlich viel besser dran sind und wieder mehr Kraft haben. Einige haben sich zum Beispiel einfache Gestelle gemacht, so dass ihre Kochutensilien nicht mehr auf dem Boden stehen. Andere haben ein Kind aufgenommen, es hilft ihnen und erhält dafür Kost und Unterkunft. Das Kind kann jetzt auch wieder zur Schule gehen.
Setata, die wegen versteiften Gelenken nur noch auf dem Bettrand sitzen kann, hilft nun selber mit beim Kochen.
Ataru hat früher ihr Leben mit Holzsammeln verdient und ist glücklich, jetzt Körbe flechten zu können.
Die Stiftung setzt sich immer wieder für einzelne Menschen ein. Sie hilft bei medizinischen Problemen, gibt Starthilfen für ein kleines Geschäft, zahlt Mieten und unterstützt Jugendliche während der Schulzeit und der Ausbildung.
Hier einige wenige Beispiele:
Adugna geht es gut. Durch die Starthilfe der Stiftung konnte sie vorletztes Jahr einen kleinen Laden eröffnen. Unterdessen hat sie sich damit eine sichere Basis geschaffen. Regelmässig besucht sie nun die neunte Klasse.
Fanta, die einen künstlichen Darmausgang hatte, ist gestorben. Die Stiftung unterstützt nun ihren Sohn, der allein zurückblieb.
Arsubalew ist nicht mehr in Lalibela. Der kleine Schuhputzjunge, den wir letztes mal von Woldiya wieder zurückbrachten und ihm einen „Bauchladen“ finanzierten (Bericht Juni 2009) hat sein Glück nun doch in der grossen Stadt gesucht. Er machte damals gute Geschäfte in Lalibela und ist mit eigenem Geld nach Woldiya gefahren.
Zewde, die Mutter zweier Jungen, die nach fünf jähriger Bettlägerigkeit wieder gehen lernte, hat von der Stiftung die Chance bekommen, sich ihren tennisballgrossen Tumor am Hals operieren zu lassen. Unglücklicherweise wurde während der Operation ihr Gesichtsnerv zerschnitten und der Sehnerv geschädigt. Sie ist nun auf einem Auge blind und die eine Gesichtshälfte ist gelähmt. Sie ist jetzt nach Monaten in Addis Ababa wieder zurück in Lalibela und muss lernen sich mit dieser neuen Situation abzufinden. Dazu geben ihr ihre Söhne Kraft, ebenso ihre Nachbarn, die sie auch so willkommen heissen. Positiv an ihrer Situation ist, dass ihr Lungenleiden mit Medikamenten gut unter Kontrolle ist.
Tesfaye, der nach einem Autounfall teilweise gelähmt war, lebt nun in Addis Abeba. Er kann wieder gehen. Zwar braucht er einen Stock und hinkt ein bisschen. Doch er ist überglücklich. Er versucht nun etwas Geld von der Versicherung zu erhalten, da er den Unfall nicht verschuldet hat.
Assefa ist aus seiner Wellblechkiste ausgezogen und hat seine Arbeit als Wachmann im Bar Viertel aufgegeben. Er hat eine kleine ruhige Unterkunft bei einer Familie gefunden und geht wieder zur Schule. Er hat zwar noch immer keine Matratze und schläft auf dem Boden – doch das stört ihn nicht.
Fanta war letztes Jahr schwer krank war, geht wieder auf den Markt und verkauft Tomaten.
Haftamu hat eine kleine Arbeit gefunden. Er passt auf die Schuhe auf, die von allen beim Betreten der Kirche ausgezogen werden müssen.
Netzanet hat aus einem Raum ihres Hauses ein kleines Teehaus gemacht. Neben Tee bietet sie selbst gemachtes Brot aus einem Solarofen an.
Zum Abschluss meines Äthiopien Aufenthaltes war ich wieder in Bukama, im Süden, in Woleita. ( Bericht März 2009)
Ich habe dort die Klinik besucht, die von einheimischen katholischen Schwestern geführt wird. Für mein Verständnis als Krankenschwester ist es fast unglaublich, dass diese Klinik ein Einzugsgebiet für 40’000 Menschen hat. Es gibt keinen Arzt dort und kaum Medikamente oder Verbandsmaterial.
Nahe geht mir wieder das Schicksal vieler Frauen die unter einem Gebärmuttervorfall leiden wie Abeba. Ihre Gebärmutter befindet sich seit fünf Jahren zur Hälfte ausserhalb des Körpers. Im Moment ist sie nicht entzündet. Die Schwestern haben sie gelehrt, wie sie diese pflegen muss. Abeba hat zwei Kinder und wurde von ihrem Mann verlassen. Sie gehört zu den Ärmsten der Gegend, da sie auch kaum arbeiten kann. Sie leidet an Blutarmut und hat noch Malaria….
Abeba ist nur eine von hunderten Frauen mit diesem Schicksal. Da es in Äthiopien keine Krankenkasse gibt, muss jeder Spitalaufenthalt selber bezahlt werden. Eine Operation ist für Abeba wie für die meisten Frauen dort unerschwinglich. Die Finanzierung von Operationen ist ein Ziel mit hoher Priorität, für wenige Operationen konnte die Finanzierung sichergestellt werden (330 Fr. pro Patientin).
Die Artemisiapflanzen, die ich letztes Jahr brachte, sind gewachsen und geerntet worden. Doch mit der Vermehrung hat es nicht geklappt. Die Schwestern versicherten mir, sie möchten es nochmals versuchen.
Wieder zurück in der Schweiz bleiben viele Erinnerungen: Betroffenheit, Hochachtung, Nachdenklichkeit und auch Freude.
Beatrice Gill,2010