Januar 2020: Äthiopien / Laliblea: Dichter Solomon

Gedichte zu Weihnachten – Solomon Molla, der Dichter aus Lalibela


Solomon Molla (links ) mit Reiseführer Workeye

Zum diesjährigen Weihnachtsfest hat sich der äthiopische Dichter Solomon Molla ein grosses Ziel gesetzt. Seit fünfzehn Jahren schreibt er Gedichte, die in starken Bildern sein schwieriges Leben und seine Gedanken zum Leben in seinem Land spiegeln. Bei Freunden und Bekannten ist das Echo auf seine Poesie gut und ermutigend, doch um ein grösseres Publikum zu erreichen, braucht es ein richtiges Buch! Das kostet Geld, und welcher Verlag ist schon bereit, einen Lyrikband zu finanzieren? Salomon Molla versuchte es auf seine Art mit crowd funding.

In seinem Bekanntenkreis begann er Geld zu sammeln, mit dem Versprechen, dass der oder die Spenderin zum diesjährigen Genna, dem Weihnachtsfest der orthodoxen Kirche am 6. Januar, ein besonderes Geschenk bekommt: ein Exemplar der ersten  Veröffentlichung seiner Gedichte.

Bei einem Besuch im vergangenen Oktober lernten wir Solomon Molla kennen, einen kräftigen, selbstbewussten Mann um die Vierzig. Er las uns einige seiner Gedichte, auf Amharisch natürlich, wir verstanden kein oder kaum ein Wort, waren aber fasziniert vom Feuer seines Vortrags und vom magischen Klang der Sprache. Und was unser Begleiter Mesay davon in Kurzform übersetzt hat, hat uns ahnen lassen, dass wir einem grossen Dichter gegenübersassen. Inzwischen wurde auch eines der Gedichte auf Deutsch übersetzt.

Solomon Molla ist verheiratet und hat eine fünfjährige Tochter. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Regierungsbeamter, doch für ein eigenes Haus reicht der karge Lohn nicht. Er lebt mit seiner Familie im Haus seiner Mutter in Lalibela, dem bekannten Wallfahrtsort mit seinen berühmten Felsenkirchen.

Als junger Mann wurde Solomon Soldat und hat in zwei Kriegen gegen Eritrea gekämpft. Dabei wurde sein linkes Bein von mehreren Kugeln schwer verletzt. Erst nach zehn Jahren konnte er das Militär verlassen und ins Zivilleben zurückkehren. An der Universität von Addis Abeba begann er ein Soziologiestudium, das er vor sechs Jahren abschloss.

Noch vor zwei Monaten schien es mehr als fraglich, ob Solomon das Geld für den Druck seiner Gedichte bis zum festgesetzten Tag auftreiben kann. Viele Spenden waren eingegangen, doch für den Druck eines Buches reichte es nicht. Solomon war verzweifelt. Es wäre eine Katastrophe, wenn er seine Freunde und Spender enttäuschen müsste. Er fürchtete, vor ihnen als Dieb und Betrüger dazustehen.

Doch mit Hilfe der Peter Bachmann Stiftung war es quasi im letzten Moment möglich, den fehlenden Betrag aufzubringen. Damit wurde nicht nur ein Dichter glücklich gemacht, sondern auch ein wichtiger Beitrag für die Literatur dieses an Talent so reichen aber an Geld immer noch armen Landes geleistet.

Niklaus Schlienger

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Ein Gedicht von Solomon Molla

#ሠማያዊ ኩርፊያ@
ምነው ሠማይ ተከፋ ምነው ህዋው ቂም ቋጠረ፣
ምነው ጨረቃ ጠፋች ደመናም ጠቋቆረ፣   ከሠማይ ምንጣፍ ግርጌ ከምድር ተራሮች አናት፣  ከምዕራብ የዓድማስ ቁንጮ ፀሀይን ቅርሻት አመማት፣  ህልቁ መሳፍርት ከዋክብት ምነው ቀሩ ሳይወጡ፣
ጣም ዓልባውን ምድራዊ ዓለም በብርሃን ላያጣፍጡ፣
ህዋው ቂም እንደያዘ ሠማይም እንደተከፋ፣
ጨረቃም እንዳኮረፈች ጀንበርም ዓይኗ እንደጠፋ፣
ሥንቱን ድብዝዝ ማለዳ ሠንቱን ጨለማ እንግፋ፡፡
ሰለሞን ሞልላ

Solomon Molla

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Übersetzung Sämi Klieber/Niklaus Schlienger:

Himmlisches Stillschweigen

Warum ist der Himmel traurig, was trägt er uns nach?
Warum ist der Mond verschwunden und sind die Wolken verdunkelt
vom Grund des Himmels bis zur Spitze der Berge?

Am östlichen Horizont erhebt sich eine kranke Sonne
Warum sind die vielen Sterne nicht erschienen?
Warum wird die düstere Welt nicht erleuchtet?

Am Himmel, der nachtragend ist und traurig,
zeigt sich auch kein Mond.
Wie viele verschwommene Morgen,
wieviel Dunkelheit müssen wir noch aushalten?

Solomon Molla

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