März 2017: Äthiopien / Gashena: Emanuel Klinik

Emanuel Klinik – kostenlose medizinische Versorgung für eine vergessene Region

Vor 12 Jahren rannte ein Junge durch Lalibela und schrie nach einem Arzt für seinen schwer kranken Vater. Niemand schenkte ihm Beachtung und so fand er, als er wieder nach Hause kam, seinen Vater tot auf. Diese Erfahrung liess den Jungen mit dem Namen Ashenafi nie wieder los. Er beschloss Arzt zu werden und nahm sich zur Aufgabe, alles in seiner Macht stehende gegen die Missstände des äthiopischen Gesundheitssystems zu unternehmen.

Zeitgleich wurde PBF in Lalibela aktiv und führte einige Jahre später ein Bildungsprojekt ein, bei welchem Stipendien an begabte aber mittellose Schüler und Studenten vergeben werden. Ashenafi wurde Begünstigter dieses Projektes. Er wuchs am Existenzminimum auf; seine verwitwete Mutter verdiente mit der Herstellung und dem Verkauf von Tella, eine Art hausgemachtes Bier, gerade genug, um ihrer Familie mehr oder weniger regelmässig Nahrung zu beschaffen.

Während Ashenafis Erstausbildung zum Krankenpfleger reiste er nach Geragera, ein kleines Dorf in einer ländlichen Region im Norden Äthiopiens, um eine wissenschaftliche Arbeit über die Zustände der dortigen medizinischen Versorgung durchzuführen. In der ganzen Region mit mehr als 100‘000 Einwohnern gibt es gerade einmal eine einzige kleine Klinik. Diese war nicht nur äusserst schlecht ausgestattet und völlig unterbesetzt, die Patienten wurden auch mit einer unvorstellbaren Gleichgültigkeit behandelt. Was er sah, schockierte ihn dermassen, dass er seine Ambitionen auf einen Job bei einer NGO aufgab und stattdessen PBF um Hilfe bat, eine kleine Klinik mit Dienstleistungen wie Erste Hilfe und Beratung zu eröffnen. Es gab in Geragera bereits zuvor eine Klinik, die jedoch schon nach kurzer Zeit wieder aufgegeben wurde. Ashenafi mietete dieses leerstehende Gebäude, renovierte es und begann den genannten medizinischen Service anzubieten. So kam es, dass er mit gerade einmal 19 (!) Jahren seine erste eigene Klinik eröffnete.

Kurze Zeit später reisten zwei schweizer Lehrerinnen, die im Kontakt mit PBF stehen, nach Äthiopien. Sie besuchten Ashenafis bescheidene Klinik und brachten medizinisches Material mit. Ashenafi vermochte sie dermassen von sich, seinem Engagement und seiner Vision zu überzeugen, dass die beiden Lehrerinnen wiederum Peter Bachmann überzeugten, das Projekt zu erweitern. Peter Bachmann sorgte dafür, dass  Ashenafi mit Hilfe der Stiftung ermöglicht wurde eine grössere Klinik mit mehr Leistungen aufzubauen. Die neue Klinik sollte in Gashena liegen, dem kleinen Zentrum dieser ländlichen Region. Einerseits wäre in Geragera nicht genug Platz vorhanden gewesen, andererseits ist Gashena aus der ganzen Umgebung gut und schnell zu erreichen. 2010, nach nur 8 Monaten in der kleinen Klinik in Geragera, weihte der inzwischen 20-Jährige die neue Klinik ein. Er gab ihr erst den Namen „Lehulu“, was so viel wie „Offen für jeden“ bedeutet, benannte sie nach einiger Zeit jedoch in „Emmanuel Clinic“ um. Emmanuel ist der Beiname, den die Leute aus Lalibela einst Peter Bachmann gaben.

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Die neue Klinik bestand nun aus den folgenden sechs kleinen Gebäuden: zwei Praxisräume, einem Labor, eine Apotheke, einem Badezimmer und einem Personalzimmer.

2014 stand Ashenafis Klinik kurz vor dem Aus. Ein neues Gesetz verlangte plötzlich, dass diese sogenannten „medium clinics“, wozu auch die Emmanuel Klinik zählt, fortan 11 Räume haben müssen, damit sie eine Lizenz bekommen können. Erneut bat Ashenafi PBF um Hilfe, den Bau der restlichen 5 Zimmer zu finanzieren. Nachdem PBF dieser Bitte nachgekommen war, hatte Ashenafi nun genug Kapazität, um  die Klinik  zu erweitern. Nun bietet die Emmanuel Klinik auch Pre- und Postnatale Pflege, Geburtshilfe und Mutter-Kind- sowie Familienberatung an. Ausserdem besteht jetzt für Patienten auch die Möglichkeit dort zu übernachten; zuvor war nur ambulante Pflege möglich.

Neben der Arbeit in der Klinik leisten Ashenafi und seine Angestellten Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Nicht nur organisieren sie regelmässig Veranstaltungen zu diesem Zweck in der Klinik, sie gehen auch jedes Wochenende in die Dörfer der Umgebung und versammeln auf den Marktplätzen und Kirchen Leute um sich, um diese über Krankheiten, Hygiene und vieles mehr aufzuklären.

Eines der grössten medizinischen Probleme in Äthiopien sind Augenkrankheiten aller Art. Sie werden einerseits durch den vielen Staub der Strassen und andererseits durch mangelnde Hygiene hervorgerufen. Deshalb hat Ashenafi einen Raum freigehalten, der ausschliesslich zur Behandlung von Augenproblemen genutzt wird. Alle zwei Monate kommt ein Augenchirurg und operiert vier Tage lang alle Patienten, die dringend eine Augenoperation benötigen, damit sie nicht erblinden.

Üblicherweise verlangen solche Privatkliniken viel Geld für medizinische Versorgung. Da Ashenafi aber klar war, dass die Leute in und um Gashena die üblichen Preise nicht bezahlen können, reduzierte er sie auf ein Minimum. Das übrige Geld, was benötigt  wurde, um die laufenden Kosten zu decken,  stellte PBF zur Verfügung.

Nach einer Weile  musste Ashenafi jedoch  feststellen, dass selbst diese minimalen Preise für viele unbezahlbar waren. Da sein Engagement aber gerade den ärmsten der Armen gilt, bietet die Emmanuel Klinik seit 2014 kostenlose Behandlung und Medizin für alle. Selbst die teuren Augenoperationen werden, für alle, die es sich nachweislich nicht leisten können, von PBF finanziert.

Zwar ist dieses Projekt eines der teuersten PBF’s, jedoch ist es auch eines der erfolgreichsten. Jedes Jahr werden tausende, denen sonst der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt geblieben wäre, kostenlos in der Emmanuel Klinik behandelt.

Das ist nur dank des grossen Engagements der 8 Mitarbeiter möglich. Allen voran Ashenafi, der schon seit jeher durch seine unglaubliche Energie aufgefallen ist. Damit  alle Kosten der Klinik trotz des kleinen Budgets gedeckt werden können, verzichtet er auf jegliche Bezahlung. Er fährt stattdessen Taxi, um seinen Lebensunterhalt, den seiner Mutter und seiner Schwester, die in Addis Abeba studiert, zu finanzieren. Neben dem Managen der Klinik und dem Taxifahren absolviert Ashenafi ausserdem noch einen Master-Studiengang in Public Health.

Eine Klinik in einer solch abgelegenen Gegend zu führen, ist kein leichtes Spiel. Nicht nur müssen jegliche medizinischen Materialien inkl. Medikamente von weit her gebracht werden, Ashenafi muss auch regelmässig neues Personal finden. Im Niemandsland von Gashena halten es nur wenige lange Zeit aus, wenn Jobmöglichkeiten mit besserer Bezahlung in den Städten Äthiopiens winken. Trotzdem möchte Ashenafi für immer dort bleiben und sein Leben der Klinik und den Leuten von Gashena und Umgebung widmen.

Um den Menschen dort auch weiterhin die kostenlose medizinische Versorgung zu ermöglichen,  hofft er, dass PBF auch in Zukunft in der Lage sein wird, die hohen monatlichen Kosten decken zu können.

 

 

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