Januar 2017: Äthiopien: Assefa

 „Ich habe wie ein Hund gelebt.“
Ein äthiopischer Bauernjunge in der Stadt

Ich habe mich Anfang Woche mit Assefa getroffen, ein 26 Jahre junger Mann, der schon seit 10 Jahren Teil der PBF-Familie ist. Die PBF ist stolz jemanden wie Assefa zu unterstützen. Er hat sich in der Vergangenheit als äusserst fleissig, ehrlich und dankbar gezeigt. Die Projekte mit und für Assefa sind sehr erfolgreich verlaufen. Ausnahmen gab es nur dann, wenn ihm jemand Steine in den Weg legte.

Assefa ist auf dem Land, als Sohn einer Bauernfamilie, als der Älteste von 7 Geschwistern, aufgewachsen. Als Assefa 15 Jahre alt war, verliess sein Vater als Soldat die Familie und hat sich bis zum heutigen Tage nie wieder gemeldet, geschweige denn seine Familie mit Geld unterstützt. Assefa weiss nicht einmal ob er überhaupt noch lebt. Ein Jahr nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, schickte seine Mutter ihn mit gerade einmal 16 Jahren ganz alleine nach Lalibela. Die Erträge, die das kleine Stück Land gab, haben bei weitem nicht ausgereicht um die ganze Familie zu ernähren. Die Mutter konnte ganz alleine keine sieben Kinder versorgen.

Assefa war nun ganz auf sich gestellt. Nach einer Weile fand er einen Job in einem kleinen Hotel namens Jordan Guesthouse im Zentrum Lalibelas. Er weiss bis heute nicht, wie er über seinen ehemaligen Chef denken soll. Zum einen ist er dankbar, dass er ihm damals Arbeit gegeben hat. Zum anderen sagt er über ihn: „Er hat mich wie ein Tier behandelt. Nicht einmal wenn Zimmer frei waren, hat er mich drinnen übernachten lassen. Ich habe wie ein Hund gelebt.“ Die Nächte hat er in einer winzigen Wellblechhütte am Eingangstor verbracht. In der Tat ähnelt die Unterkunft eher einer Hundehütte als einem Zuhause für einen Menschen.

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Tag und Nacht, sieben Tage die Woche war er in diesem Gasthaus Rezeptionist, Hausmeister und Wächter. Der Lohn von 200 Birr (ca. 9 CHF) hat nicht einmal gereicht, um sich selber Essen zu finanzieren. Die wenigen freien Stunden, die er hatte, verbrachte er damit bei benachbarten Hotels um Essen zu betteln.

Vor zehn Jahren hat Beatrice, ein Mitglied der PBF aus der Schweiz, während eines halbjährigen Aufenthalts in Äthiopien im Jordan Guesthouse übernachtet. Sie war diejenige, die die grauenhafte Situation Assefas erkannte. Als Peter Bachmann kurz darauf ebenfalls nach Lalibela reiste, stellte Beatrice ihm den jungen Mann vor. Spätestens als Peter Bachmann Assefas Unterkunft zu Gesicht bekam, war die Entscheidung getroffen. Man musste dem jungen Mann helfen, aus diesem Leid zu entkommen.

 

Der erste Schritt war, Assefa eine Ausbildung zu ermöglichen. Zwar hatte er bis zur achten Klasse die Schule besucht, er musste sie jedoch abbrechen, als er seine Familie verlassen musste. Schliesslich liess sein 24 Stunden Job keine Zeit für die Schule. Assefa wurde auf die Schülerliste der PBF genommen. Im Zuge dessen bekam er einen monatlichen Unterstützungsbetrag zugesprochen. Dieser liess zwar kein luxuriöses Leben zu, aber er konnte sich eine Unterkunft  mieten und regelmässig Mahlzeiten zu sich nehmen – ohne betteln zu müssen.

Nachdem Assefa erfolgreich die Highschool abgeschlossen hatte, begann er an der Berufsschule einen Studiengang in Hotel Operation zu absolvieren. Parallel dazu hat ihm die PBF ermöglicht, einen kleinen Laden zu eröffnen. Mit dem Einkommen davon konnte er nun zwei seiner Brüder zu sich in die Stadt holen und damit seine Familie auf dem Land, die Tag für Tag ums Überleben kämpfen musste, entlasten. Beide Brüder besuchen nun die Schule. Der ältere der beiden hilft ihm ausserdem im Laden aus; der jüngere ist dazu noch zu jung.

Zwar konnte Assefa seinen Brüdern Nahrung und ein Dach über dem Kopf bieten, trotzdem lebten sie weiter in Armut.

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Deswegen hat die PBF weitere Unterstützungsprojekte für ihn in die Wege geleitet. Zum einen hat man dem jungen Mann am Rande Lalibelas ein Stück Land gekauft und darauf ein kleines Haus gebaut –  Assefa wartet nun schon zwei Jahre darauf, dass die Stadtverwaltung sein Haus ans Strom- und Wassernetz anschliesst. Zum anderen hat man ihm eine Getreidemahlanlage gekauft. Auch hierbei ist es zu Schwierigkeiten gekommen: Erstens konnte er aufgrund des immer noch nicht vorhandenen Stromanschlusses die Maschine nicht in Betrieb nehmen und zweitens hat ihm die Stadtverwaltung verboten, in diesem Wohngebiet zu mahlen. Er hätte also ein Gebäude mit Stromanschluss im Industriegebiet erstehen müssen, was schlichtweg zu teuer für ihn gewesen wäre

Vor sechs Jahren erlitt Assefa einen weiteren Rückschlag. Er spürte in seinem Gesäss immer schlimmere Schmerzen. Nicht nur wurden die Schmerzen so gross, dass er kaum noch sitzen konnte, er begann auch aus seinem Gesäss zu Bluten. Die Sorge war gross. Als er schliesslich Lalibelas Klinik besuchte, wurden ihm Hämorriden diagnostiziert. Vor Ort konnte er nicht operiert werden, Assefa wurde stattdessen an eine Privatklinik in Bahir Dar, der Provinzhauptstadt, verwiesen. Einen Aufenthalt in der Privatklinik konnte er sich aber nicht leisten, weswegen die PBF sämtliche Kosten für seine Behandlung übernehmen musste. Die Operation schien erfolgreich verlaufen zu sein. Nach ungefähr einem Jahr kehrten die Hämorriden jedoch zurück und er musste wieder nach Bahir Dar. Erneut hat die PBF sämtliche Kosten übernommen.

Bald darauf musste Assefa noch einen Rückschlag hinnehmen. Als er seine Ausbildung zum Hotel Operator abgeschlossen hatte, konnte er trotz intensiver Suche keinen Job finden. So mussten die drei Brüder weiterhin von dem Einkommen des kleinen Ladens leben.

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Das Leben zeigte sich ihm aber auch von seiner guten Seite. Nicht nur wurde er erneut ins Bildungsprogramm der PBF für eine Zweitausbildung zum Automechaniker aufgenommen, er hat auch eine Frau fürs Leben gefunden und sie vor rund zwei Jahren geheiratet. Ein Jahr später ist eine Tochter, Assefas ganzer Stolz, gesund zur Welt gekommen.

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Zwar verbessert sich dadurch seine finanzielle Situation nicht unbedingt, jedoch besteht hierfür guter Grund zur Hoffnung. Assefa träumt davon, eines Tages ein eigenes Taxi zu besitzen. Durch seine Ausbildungen weiss er nicht nur bestens über den Umgang mit Touristen Bescheid, er kann auch kleinere Reparaturen selbst vornehmen. Er ist somit schon heute bestens zum Taxifahrer qualifiziert. Assefa hat trotz des mageren Einkommens von dem Laden jeden Monat so viel wie möglich gespart. Ausserdem konnte er das Mahlwerk gewinnbringend verkaufen. Somit hat er schon beinahe die Hälfte der 330‘000 Birr (ca. 15‘000 CHF) zusammen, die er braucht, um ein gebrauchtes Taxi in gutem Zustand zu kaufen. Er hat die PBF um eine letzte Unterstützung gebeten und natürlich wird so bald möglich ein Teil der Kosten übernommen. Assefa hat mir gesagt: „Das ist mein allerletztes Gesuch um Unterstützung. Ich habe schon zu viel Hilfe bekommen. Ich möchte endlich auf eigenen Beinen stehen können.“

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