Amputieren von Händen und Füssen ist für den jungen Äthiopier kein Weg in seine Zukunft.
PBF beendet eine zwölfjährige Leidenszeit
Es ist ein sonniger Montagmorgen an dem wir uns mit Eyayaw verabredet haben. Sisay und ich sind etwas früh da und sitzen gerade noch vor dem Büro und geniessen die Morgensonne. Da kommt aber auch schon Eyayaw, ein grossgewachsener junger Mann mit einem freundlichen Grinsen im Gesicht. Sisay stellt uns gegenseitig vor, wir begrüssen uns, und gehen ins Büro um mit dem Gespräch zu beginnen. Ich habe zwar einige Fragen vorbereitet, ich brauche sie jedoch gar nicht. Eyayaw fängt auch so an, offen von seiner langen Krankheitsgeschichte zu erzählen.
Alles hat vor fünfzehn Jahren begonnen, als Eyayaw gerade einmal elf Jahre alt war. Seine Hand- und Fussflächen haben angefangen zu jucken. Es dauerte nicht lange, da wurden aus dem Juckreiz immer schlimmer werdende Schmerzen. Gleichzeitig ist die Krankheit auch sichtbar geworden, da sich sowohl Hand- wie auch Fussflächen immer mehr verhärten. Nach Jahren wurden die Schmerzen so gross, dass er nicht mehr einer Arbeit nachgehen konnte. Manchmal lag er tagelang im Bett, da das Laufen vor lauter Schmerzen unmöglich war.
Als ich ihn frage, ob dies das Schlimmste gewesen sei schüttelt er traurig den Kopf. Das Schlimmste sei die Diskriminierung gewesen: In Äthiopien isst man in der Regel gemeinsam von einer grossen Platte. Als die Krankheit sichtbar wurde, wollte aber niemand mehr mit ihm das Essen teilen. Es ging sogar soweit, dass ihm niemand die Hand gab. Aus Angst sich anzustecken wollte keine und keiner mehr etwas mit ihm zu tun haben oder ihm zu nahe kommen, nicht mal seine damaligen Freunde. Eyayaw wurde komplett von Jung und Alt in Lalibela ausgegrenzt, verstossen. Plötzlich war er völlig isoliert, ohne Hoffnung, dass sich das jemals ändern würde, denn eine Behandlung war für ihn und seine Familie unerschwinglich.
Doch vor 12 Jahren wurde PBF’s damaliger Trustee in Lalibela, Getachew, zufällig auf Eyayaw und sein Schicksal aufmerksam. Der inzwischen leider verstorbene Getachew arrangierte ein Treffen mit Peter Bachmann bei dessen nächstem Aufenthalt in Äthiopien. Nach dem Treffen veranlasste Peter die Übernahme der Kosten für eine ärztliche Behandlung.
Daraufhin reiste Eyayaw zum ersten Mal nach Addis Abeba, wo er sich in einer Klinik untersuchen liess. Weil die dort verschriebenen Medikamente während Jahren keine Verbesserung mit sich brachten, reiste er immer wieder in die Hauptstadt, um sich in Spezialkliniken von anderen Experten untersuchen und behandeln zu lassen. Insgesamt machte Eyayaw sechs verschiedene Therapien mit, die jeweils bis zu einem Jahr dauerten. Einige wirkten sich sogar kurzfristig positiv aus, aber die Verbesserung hielt nie lange an. Die letzte Therapie hatte die Nebenwirkung, dass sich die Haut an seinem ganzen Körper entzündete. Angesichts der scheinbaren Hoffnungslosigkeit des Falles, wollten die Ärzte eines Krankenhauses Eyayaw gar beide Hände und Füsse amputieren, damit sich die Krankheit nicht auf den gesamten Körper ausbreitet. Als er daraufhin abermals in Addis Abeba eine weitere Klinik aufsuchte, wurde ihm empfohlen, sich in Indiens Hauptstadt Neu Delhi behandeln zu lassen.
Kurze Zeit später sass der junge Äthiopier gemeinsam mit Fisseha Getahun, einem Mitglied von PBF aus Addis Abeba, im Flugzeug Richtung Indien. Fisseha ist in einem medizinischen Kaderteam tätig und berufsbegleitend in Ausbildung. Für Eyayaw war dies die weiteste Reise seines Lebens. Zehn Tage lang hielt sich Eyayaw von morgens bis abends in der Klinik auf. Lediglich zum Schlafen durfte er sie verlassen. Es wurden x-verschiedene Untersuchungen gemacht, eine sichere abschliessende Diagnose konnte trotzdem nicht gestellt werden. Nichts desto trotz fanden die indischen Ärzte eine Möglichkeit die Krankheit für immer zu besiegen. Wieder zurück in Äthiopien muss Eyayaw nun täglich sieben (!) verschiedene Medikamente nehmen und vier verschiedene Cremen einreiben. Alle zwei Wochen muss er einen Bericht des Heilungsverlaufs inklusive Bilder und alle sechs Wochen eine Blutprobe nach Indien schicken. Abgesehen davon geht es ihm immer besser. Er ist unendlich dankbar.
Peter Bachmann ist für Eyayaw wie ein Vater geworden. Wie unendlich viele andere hier nennt er ihn liebevoll „my Dad“, wenn er von ihm spricht.
Vor vier Jahren lernte Eyayaw in Lalibela eine junge Frau kennen, die ihn nicht, wie die meisten anderen hier, auf seine Krankheit reduzierte. Mit der Zeit lernten sie sich lieben. Sie heirateten vor einem Jahr. Schon lange vor seiner Reise hat Eyayaw gemeinsam mit seiner Frau Lalibela, der Stadt die ihn damals verstossen hatte, den Rücken gekehrt. Mit Hilfe von PBF konnte er schon vor Jahren in Bahar Dar einen kleinen Kiosk, hier Supermarket genannt, eröffnen. Darüber wurde auf der Webseite schon früher berichtet. Dass ich ihn hier Anfang Dezember in Lalibela getroffen habe, verdanke ich nur dem Umstand, dass er seine Familie besuchte.
Felix Brentrup